Was beeinflusst die Fruchtbarkeit bei Männern?

Ein Mann mit Kinderwunsch schaut in die Natur.

Wenn es mit einer Schwangerschaft nicht sofort klappt, richten sich die Augen oft auf die Fruchtbarkeit der Frau – dabei gibt es viele Faktoren, die die Zeugungsfähigkeit eines Mannes beeinträchtigen. Wir zeigen, welche medizinischen Ursachen vorliegen können und was langes Sitzen, Handystrahlen und häufige Saunagänge mit der männlichen Fruchtbarkeit zu tun haben.

Der rätselhafte Spermienschwund

Eine vielleicht verblüffende Information zum Start: Die Fruchtbarkeit von Männern in der westlichen Welt lässt insgesamt nach. So zeigte eine Studie, dass die Konzentration der Spermien zwischen 1973 und 2011 um mehr als 50 Prozent gesunken ist. Die Ergebnisse erschienen 2017 im Fachmagazin „Human Reproductive Update“ und sorgten weltweit für Schlagzeilen. Viele Medien schrieben über den „massiven Spermienschwund in der westlichen Welt“, machten Umweltgifte, Weichmacher und einen insgesamt ungesünder werdenden Lebensstil verantwortlich.

Einige Wissenschaftler:innen relativierten die Zahlen etwas, wiesen auf natürliche Schwankungen in der Spermienanzahl hin, die es immer gebe. Doch es existieren mehrere Studien, die ähnliche Tendenzen zeigen, und selbst die eher kritischen Expert:innen geben aktuell zu:

Irgendwas scheint los zu sein mit den Spermien in der westlichen Welt – und die Ursache dafür ist noch nicht geklärt.

Das Alter und die männliche Fruchtbarkeit

Über die Rolle des Alters im Zusammenhang mit der weiblichen Fruchtbarkeit haben wir bereits ausführlich in diesem Artikel geschrieben – wie sieht es bei Männern aus? Auch bei ihnen ist das Alter ein Faktor, der nicht zu unterschätzen ist. Kinderwunschärztin Dr. Nadine Al-Kaisi hat uns im Interview erklärt, dass mit zunehmendem Alter immer mehr DNA-Brüche in den Spermien vorkommen, wodurch sie eine schlechtere Qualität haben. Das erschwert die Chance, schwanger zu werden, und erhöht das Risiko für Fehlgeburten.

„Ab 40 Jahren lässt die Qualität der Spermien nach, ab 50 gibt es noch einmal eine deutliche Verschlechterung“, sagt die Expertin. Gleichzeitig zeigt die Statistik, dass in Deutschland lebende Männer bei der Geburt des ersten Kindes immer älter werden: Waren sie 1991 noch durchschnittlich 31 Jahre alt, waren sie 2020 im Schnitt 34,6 – auch wenn sie von den „kritischen“ Grenzen damit noch weit entfernt sind.

Medizinische Gründe für eingeschränkte Zeugungsfähigkeit

Es können auch medizinische Gründe vorliegen, die die Fruchtbarkeit von Männern einschränken. Dazu gehören unter anderem angeborener Hodenhochstand, eine Hodenentzündung, Krampfadern an den Hoden oder Hodenkrebs. Auch nach einer langandauernden Medikamenteneinnahme oder einer Chemotherapie kann es Probleme auf dem Weg zum Kinderwunsch geben. Genau wie bei speziellen genetischen Abweichungen oder Operationen an der Prostata, die durchgeführt werden mussten, sich aber negativ auf die Zeugungsfähigkeit auswirkten.

Auch ein verklebter Samenleiter kann Schwierigkeiten auslösen: Dann werden zwar genug Spermien produziert, diese finden aber nicht den Weg nach draußen. Eine weitere Möglichkeit ist es, dass der Mann Antikörper hat, die Spermien daran hindern, zur Eizelle vorzudringen und sie zu befruchten. Schauspielerin Tanja Szewczenko hat im fertilitips-Interview berichtet, dass dies bei ihrem Mann Norman vorlag und ihren Kinderwunsch lange verhindert hat. Bei ihm konnten die Antikörper durch eine medizinische Behandlung abgebaut werden und die beiden bekamen auf natürlichem Weg Zwillinge – auch so ein Happy End gibt es also immer wieder. In jedem Fall lohnt es sich, all diese medizinischen Faktoren und möglichen Ursachen abklären zu lassen, wenn sich der Kinderwunsch über eine lange Zeit nicht erfüllt.

Ein Mann mit Kinderwunsch joggt eine Treppe hinauf.

Welchen Einfluss hat der Lebensstil?

Es liegen keine Krankheiten oder genetischen Beeinträchtigungen vor? Das ist schon einmal gut – dann kann nun ein Blick auf die Lifestyle-Faktoren helfen, denn hier gibt es eine Menge, die die Zeugungsfähigkeit einschränken.

  • Alkohol: Alkohol ist ein Zellgift, das die Fortpflanzungsorgane angreifen kann. Wie hoch allerdings der Konsum sein muss, damit hier der Wunsch für den noch unerfüllten Kinderwunsch liegt, ist bislang nicht geklärt.
  • Rauchen: Tabak hat erheblichen Einfluss auf die Spermien, er reduziert die Anzahl, die Form und die Beweglichkeit der Spermien. Wer mit dem Rauchen aufhört, steigert also die Chance auf eine Schwangerschaft der Partnerin massiv. Das gilt auch für Cannabis, denn das beeinflusst den Hormonhaushalt.
  • Ungesundes Gewicht: Ob Übergewicht oder Untergewicht, beides kann die männliche Fruchtbarkeit erheblich stören. Übergewichtige Männer haben oft eine gestörte Hodenfunktion und einen niedrigeren Testosteronspiegel. Bei starkem Untergewicht schaltet der Körper in einen „Notfallmodus“, wodurch weniger Spermien produziert werden.
  • Anabolika: Wenn Bodybuilder spezielle Substanzen einnehmen, um mehr Muskeln aufzubauen, schadet das der Zeugungsfähigkeit: Denn die enthaltenen Steroidhormone bringen das Hormonsystem durcheinander – außerdem können Anabolika dazu führen, dass sich die Hoden verkleinern.
  • Leistungssport: Auch wenn ausreichend Bewegung grundsätzlich super für einen gesunden Lebensstil und eine gute Spermienproduktion ist, kann ein „zu viel“ schädlich sein. Denn bei andauernder (Über-)beanspruchung schaltet sich wieder der Notfallmodus ein.
  • Wärme: Spermien reagieren empfindlich auf Temperatur – weshalb die Hoden außerhalb des Körpers liegen. Auf ein tägliches heißes Bad und zu häufige Saunabesuche sollten Männer mit Kinderwunsch also verzichten. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass die Sitzheizung negative Effekte haben kann.

Und was uns Kinderwunschärztin Nadine Al-Kaisi noch verraten hat: 

Zu viel Sitzen schadet den Spermien – selbst wenn Männer eigentlich ein gesundes Leben führen und ihren Tag am Schreibtisch mit einer großen Joggingrunde ausgleichen. 

„Wer nach Feierabend fünf Kilometer laufen geht, tut seinem Körper und der Fruchtbarkeit natürlich einen Gefallen“, sagt sie. „Doch das kann die lange Zeit, die vorher sitzend verbracht wurde, nicht ausgleichen. Langes Sitzen sorgt für großen Druck auf den Hoden und der schadet den Spermien.“ Hier können Stehschreibtische eine gute Wahl sein, um die Hoden wenigstens zwischendurch mal zu entlasten.

Die Sache mit den Handystrahlen

Immer wieder ist die Rede davon, dass auch der Laptop auf dem Schoß oder das Handy in der Hosentasche eine negative Wirkung auf die Spermien haben können – was ist dran an diesen Mythen? Beim Laptop geht es meist um die Wärme, die das Gerät absondert (siehe oben) und tatsächlich belegen Studien auch einen Zusammenhang zwischen Mobilfunkstrahlung und Fruchtbarkeit. So zeigte eine Meta-Studie aus Südkorea von 2021, dass elektromagnetisch Funkwellen die Spermienqualität verschlechtern. Hier gibt es eine statistisch relevante Korrelation. Allerdings sei nicht nachzuweisen, dass eine lange Dauer den Effekt verstärke, vielmehr gelte grundsätzlich: Wer ein Handy nutzt, schadet den Spermien – und das lässt sich in der heutigen Welt wohl nicht vermeiden.

Es wurde außerdem nicht untersucht, ob neuere Modelle mit bestimmtem Strahlenschutz eine Verbesserung erzielen können. Auch eine in der Zeitschrift „Fertility und Sterility“ veröffentliche Studie zeigt einen Einfluss der Handynutzung auf die Spermienqualität – und hier spielte tatsächlich die Nutzungsdauer eine Rolle. Bei den Männern, die angaben, das Handy mehr als 20-mal pro Tag zu nutzen, war die Spermienqualität etwa 20 Prozent geringer als bei der Gruppe, die ihr Handy nur ein- bis fünfmal pro Woche nutzten (was heute zugebenermaßen nicht besonders realistisch ist). Ob das Handy in der Hosentasche aufbewahrt wurde oder in der Jacke steckte, schien keinen Einfluss zu haben – das ist aber Gegenstand für weitere Untersuchungen. Hier dauert die Forschung noch an.

All diese Informationen sind nur ein kleiner Einblick in das breite Spektrum von Faktoren aus dem medizinischen oder Lifestyle-Bereich – doch sie zeigen deutlich: Wenn ein noch unerfüllter Kinderwunsch besteht, sind auch die körperliche Gesundheit des Mannes entscheidend, genau wie sein Lebensstil.

Love-Note

Wir kennen das Klischee, dass sich Männer oft schwerer damit tun, ihre Fruchtbarkeit checken zu lassen – auch für sie ist es natürlich nicht schön, immer wieder den Becher zur Spermienkontrolle füllen zu müssen. Wir möchten euch als Paar bestärken über diesen Themen offen in den Austausch zu gehen, die Sache als Team anzugehen und dabei in jedem Fall frei von Vorwürfen und Schuldzuweisungen zu bleiben. Es geht darum, die entscheidenden Parameter ausfindig zu machen und die Fruchtbarkeit auf beiden Seiten zu untersuchen und gegebenenfalls zu stärken – sodass ihr hoffentlich bald euer kleines Wunder in den Armen halten könnt.