Mental Health: Wie kannst du die Kinderwunschreise trotz Rückschlägen gut meistern?
Immer wieder hoffen, bangen, warten – und dann oft die Enttäuschung: Es hat wieder nicht geklappt. Die Kinderwunschreise kann sehr lang und schmerzhaft sein, sie bringt immer wieder Momente der Frustration und Verzweiflung mit sich. Wie schaffst du es, hier mental und emotional stabil zu bleiben? Was kann dir helfen, die Zeit gut durchzustehen und wie findest du heraus, was dich persönlich stärkt? Laura Letschert ist Coach für Veränderungsprozesse und teilt hier wertvolles Wissen und verschiedene Strategien mit dir.
Für viele Frauen und Paare ist es zunächst eine sehr schmerzhafte Erkenntnis, dass es mit einer Schwangerschaft nicht so einfach klappt. Wie schafft man es, das anzunehmen und nicht zu lange in Wut, Ablehnung und Resignation zu verharren?
Ich glaube, dass es zunächst helfen kann, Wut, Traurigkeit oder auch Resignation als Gefühle wahrzunehmen, die auf dieser langen Reise immer wiederkehren werden. Es geht nicht darum, diese Gefühle aufzulösen oder über sie hinwegzukommen, damit es ab dann nur noch bergauf geht. So wie das ganze Leben immer wieder mal aus diesen Gefühlen besteht, so ist es auch bei der Kinderwunschreise. Es ist wichtig, dass wir uns erlauben, diese Gefühle auch zu fühlen und nicht den Druck verspüren, dass wir sie jetzt auflösen müssen. Denn das erzeugt zusätzlichen Stress, den man in dieser Situation gar nicht brauchen kann.
Es geht auf der Kinderwunschreise ja immer wieder darum, wie man in die Entspannung kommen kann, wie man loslassen kann und Raum für Neues erschafft. Denn unsere Emotionen sitzen im Körper und wenn wir uns nicht erlauben, den Schmerz auch zu fühlen und ihn herauszulassen, dann wird es umso schwieriger, dieses „Loslassen“ hinzubekommen.
Wie gelingt es denn, diese Gefühle zu spüren und auch herauszulassen?
Das ist individuell unterschiedlich. Wenn man Wut oder Traurigkeit spürt, möchten manche Menschen das alles gerne aufschreiben, die anderen möchten vielleicht ins Kissen schreien, wieder andere möchten sich bewegen oder mit jemandem darüber sprechen. Ich finde es ganz wichtig, sich in irgendeiner Form Raum und Luft zu verschaffen und hier darf jede:r selbst herausfinden, was der individuell passende Weg ist.
Wichtig ist außerdem, sich die Erlaubnis für diese Gefühle zu geben: Es ist okay, sie immer wieder zu fühlen. Und je mehr wir uns diese Erlaubnis geben können, desto leiser werden die Gefühle mit der Zeit werden.
Hilft es aus deiner Sicht, schon am Anfang der Kinderwunschreise den Blick auf die eigene mentale Gesundheit zu richten und sich zum Beispiel selbst Anker zu erschaffen, die durch diese Zeit helfen können?
Ich denke, dass grundsätzlich Anker für jeden Menschen wichtig sind, um die mentale Gesundheit zu stärken – präventiv und nicht erst, wenn zum Beispiel eine Krisensituation auftaucht. Wir können uns alle unsere eigenen Rituale, Routinen und Anker für den Alltag erschaffen, die uns stärken. Mit Blick auf die Kinderwunschreise finde ich es wieder wichtig, dass wir uns nicht überfordern – denn es gibt sowieso so viele Tipps und Ratschläge von außen. Wenn ich mir dann auch noch den Druck erzeuge, mir jetzt unbedingt Anker erschaffen zu müssen, dann kann das wieder in Stress ausarten.
Mein Tipp ist es, in dieser Situation als allererstes eine Ta-Da-Liste anzulegen – also das Gegenteil von einer To-Do-Liste.
Auf der Ta-Da-Liste stehen all die schönen Dinge, die mir Freude bereiten und bei denen ich gar keinen Druck spüre. Diese Liste ist auf dem Handy gespeichert und ich kann sie jederzeit anschauen, wenn ich merke, dass ich sehr angespannt bin und jetzt unbedingt eine Sache brauche, die mir garantiert guttut.
Ich finde es wichtig, dass man hierbei Flexibilität bewahrt und jederzeit neu entscheiden – oder: neu entdecken – kann, was gerade etwas Stärkendes ist und dass man sich nicht zu sehr mit festen Routinen unter Druck setzt. Doch wenn man gemerkt hat, was in welcher Situation geholfen hat, dann ist es super, das zu notieren. So weiß man beim nächsten Mal vielleicht noch schneller, was wann hilft.
Das ist sicher schon sehr hilfreich. Auf der Kinderwunschreise erleben Frauen und Paare immer wieder schmerzhafte Rückschläge – wenn beispielsweise ein Transfer nicht geklappt hat oder die Frau eine Fehlgeburt erleidet. Wie schafft man es, hier nicht den Mut zu verlieren? Welche Strategien gibt es, um zuversichtlich zu bleiben?
Ich glaube, wenn sich irgendwann alles nur noch um dieses eine Ziel dreht und gleichzeitig das Risiko besteht, dass es mit einer Schwangerschaft am Ende nicht funktioniert, dann ist es hilfreich, sich durch eine Therapie oder ein Coaching Hilfe zu holen. Das kann dabei unterstützen, mit diesen Rückschlägen umzugehen und womöglich auch schon alternative Ziele für sich zu entwickeln.
Da geht es um die Frage: Was ist für mich als Mensch ganz wichtig – egal, wie es ausgeht? Was gibt mir Kraft, was stärkt mich? Oft ist das der Partner oder die Partnerin, das sind Freund:innen, das ist die Familie oder der Beruf, das ist die Natur. Es gibt immer Dinge, die wir nicht zu 100 Prozent in der Hand haben und wenn man immer gut für sich sorgt – ganz unabhängig vom Ausgang dieser Reise – dann bleibt man als Mensch gestärkt.
Wenn ich spüre, dass ich gerade durch eine Phase mit vielen Rückschlägen gehe, dann brauche ich vielleicht einfach mal eine Pause.
Dann tut es möglicherweise gut, in den Urlaub zu fahren oder ein Wochenende mit einer Freundin zu verbringen. Das hilft, einmal abzuschalten, anstatt direkt wieder alles dranzusetzen, dass es beim nächsten Mal klappt. Hilfreich kann es auch sein, darauf zu schauen, wie man bisher im Leben mit Rückschlägen oder Krisen umgegangen ist. Vielleicht gab es damals auch nicht immer die Lösung oder das große Glück, aber am Ende konnte man doch einen Weg zu sich selbst finden und glücklich sein – wenn auch anders als gedacht.